Vertrauen entsteht im Gespräch: Roundspeak in Schule und Führung

Vertrauensvolle Gesprächsräume schaffen und Transformation ermöglichen
In vielen Schulen und Organisationen sind Gespräche von Zeitdruck, Zielorientierung und Bewertung geprägt. Hier ist wenig Raum für ein Innehalten, um neue Ideen Zeit zu geben, sich zu entfalten. Weiterhin braucht es Vertrauen, damit sich Kreativität entfalten kann.
Vertrauen entsteht, wenn Menschen sich gesehen, gehört und ernst genommen fühlen – unabhängig von ihrer Position oder Rolle. Roundspeak ist eine einfache, aber tief wirksame Methode, um genau solche Räume zu öffnen: Räume, in denen Zuhören wichtiger ist als Antworten und Stille Teil des Dialogs sein darf.
Haltung vor Methode
Die Methode ist das eine – die Haltung, mit der sie umgesetzt wird, das andere.
Eine Gesprächsrunde kann äußerlich perfekt organisiert sein und doch innerlich leer bleiben.
Entscheidend ist, welcher Raum durch die Moderation geöffnet und gehalten wird.
Bin ich selbst ruhig, präsent, verbunden mit mir – oder versuche ich, etwas zu kontrollieren oder zu erzwingen?
Um dies zu verdeutlichen, bietet sich Otto Scharmer an, wenn er in seiner Theory U vom „Holding the Space“ spricht:
„Nur wer den Raum hält, ohne ihn zu füllen, ermöglicht, dass Neues entstehen kann.“
Das Halten des Raums ist kein Tun, sondern ein Sein. Es braucht Präsenz, Vertrauen und die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten.
Wenn dies von der Moderation verkörpert werden kann, können sich die Teilnehmenden daran orientieren – meist geschieht dies unbewusst und lässt sich wunderbar theoretisch mit der Polyvagal-Theorie erklären.
Der Körper als Resonanzraum
Die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges zeigt: Unser Nervensystem reagiert ständig auf Signale von Sicherheit oder Bedrohung.
Wenn wir uns sicher fühlen, öffnet sich unser soziales System – wir können zuhören, kreativ denken und in Resonanz gehen.
„Safety is not the absence of threat, it is the presence of connection.“
Sicherheit entsteht also nicht durch Kontrolle oder Konfliktvermeidung, sondern durch Verbindung.
Fühlen wir uns dagegen unter Druck, bewertet oder ausgeschlossen, schaltet unser Körper auf Abwehr.
In Gesprächen geschieht das oft unbewusst. Ein gespannter Körper, eine flache Atmung, ein kurzer Blick genügen – und das Gegenüber zieht sich innerlich zurück.
Darum beginnt gute Moderation immer bei uns selbst:
Wer Vertrauen fördern will, muss Vertrauen verkörpern.
Vorbereitung im Außen – und im Innen
Eine gute Roundspeak-Runde braucht beides: klare äußere Struktur und innere Präsenz.
Äußere Vorbereitung
- Raumgestaltung: Kreisform, ausreichend Platz, Blickkontakt für alle.
- Transparenz: Ziel, Ablauf und Zeitrahmen offen kommunizieren.
- Fokus: Eine klare Leitfrage formulieren („Was bewegt mich in dieser Situation?“).
- Ritual des Beginns: Zum Beispiel ein Atemmoment, eine Stille, ein kurzer Impuls oder ein Symbol in der Mitte.
Diese äußeren Rahmenbedingungen geben Halt und Orientierung – sie sind die sichtbare Struktur, in der sich Vertrauen entfalten kann.
Innere Vorbereitung
Ebenso wichtig ist die innere Einstimmung der Moderation:
- Atmen und Ankommen – einen Moment bewusst nehmen, um Körper und Atem zu spüren.
- Selbstbeobachtung – „Wie geht es mir gerade? Bin ich ruhig oder angespannt?“
- Intention klären – „Was möchte ich heute ermöglichen – für mich und für die Gruppe?“
- Raum wahrnehmen – den physischen Raum still betrachten, den Kreis spüren, vielleicht kurz die Augen schließen.
Solche kleinen Rituale sind keine Nebensache – sie regulieren das eigene Nervensystem und schaffen die Voraussetzung, den Raum wirklich halten zu können.
Ablauf und Grundprinzipien
- Kreis bilden: Alle sitzen so, dass sie sich sehen können.
- Sprechgegenstand: Nur wer ihn hält, spricht – alle anderen hören zu.
- Achtsamkeit: Keine Unterbrechungen, kein Kommentieren.
- Rundenprinzip: Jede Person hat das Recht, zu sprechen oder zu schweigen.
- Zeitbewusstsein: Beiträge bleiben kurz, klar und persönlich.
- Moderator als Raumhalter: Achtet auf Rahmen, Zeit und Atmosphäre – nicht auf Inhalte.
Diese Form schafft Sicherheit. Und wo Sicherheit entsteht, wächst Mut zur Ehrlichkeit.
Transversale Gesprächsräume
Roundspeak entfaltet seine besondere Kraft, wenn Menschen aus verschiedenen Ebenen gemeinsam sprechen – also transversal statt hierarchisch.
In einer Schule kann das bedeuten:
Lehrkräfte, Schüler1, Schulleitung, Eltern und Trägervertreter sitzen im gleichen Kreis.
Alle Perspektiven dürfen nebeneinander existieren.
So werden Beziehungen erneuert und Strukturen in Bewegung gebracht – nicht durch Belehrung, sondern durch Begegnung.
Fazit
Vertrauen entsteht im Gespräch – und Gespräche brauchen Räume, die getragen sind von Achtsamkeit, Offenheit und Gleichwertigkeit.
Roundspeak ist keine neue Methode, sondern eine alte Form des Miteinanders, die wir wieder neu entdecken dürfen.
Wer solche Räume gestalten will, braucht nicht nur organisatorisches Geschick, sondern innere Klarheit.
Denn die Qualität des Gesprächsraumes hängt immer auch davon ab, wie gut wir in uns selbst verankert sind.
Transformation beginnt dort, wo Menschen sich wirklich begegnen – im Kreis, im Gespräch, im Vertrauen.
Quellen
Stephen W. Porges (2017): The Pocket Guide to the Polyvagal Theory – The Transformative Power of Feeling Safe. New York: Norton & Company.
Bas Rosenbrand (2017): Roundspeak Meetings. Leipzig: tologo Verlag.
Otto Scharmer (2018): The Essentials of Theory U – Core Principles and Applications. Oakland: Berrett-Koehler Publishers.
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