Scham, die kreative Kraft (Teil 1). Von blinden Flecken & Heldengeschichten

Scham sehen lernen

Wir alle kennen das Gefühl, vor Scham am liebsten „im Boden zu versinken“ – das Herz rast, der Blick senkt sich, wir wollen nur noch verschwinden. Und viele von uns haben solche Momente in ihrer Schulzeit erlebt.

Für eine nachhaltige Transformation und einen Kulturwandel im Bildungssystem, sollten wir uns diesen Erfahrungen stellen – und der Scham ins Gesicht sehen.

„Als ich vom Thema dieses Seminars hörte, war ich sehr skeptisch. Aber eben ist mir bewusst geworden, wie sehr ich als Schüler unter der Beschämung durch meine Lehrer gelitten habe und dass ich dasselbe die ganzen Jahrzehnte als Lehrer an meinen Schülern wiederholt habe.“ (Marks, 2021)

Dieser Moment der Selbsterkenntnis ist schmerzhaft – und zugleich heilsam. Er zeigt, wie eng persönliches Erleben und institutionelle Kultur miteinander verwoben sind. Die Worte des Lehrers, der an einem schamsensiblen Training des Soziologen und Supervisors Stephan Marks teilnahm, bringen es auf den Punkt. Ohne bewusste Reflexion unserer biografischen Prägungen, werden Verhaltens- und Denkmuster auf die nächste Generation übertragen.

Wenn wir heute von Schulentwicklung und Transformationsbegleitung sprechen, meinen wir einen Kulturwandel auf vielen Ebenen. Wir richten unseren Blick gern auf Fortschritt und Innovation – in der Hoffnung, die Muster der Vergangenheit zu überwinden. Doch die Erkenntnis des Lehrers erinnert uns daran: Transformation gelingt nicht, wenn wir den Schmerz der Vergangenheit überspringen.

Empirische Untersuchungen zeigen vielmehr, dass Scham ein wesentlicher Grund ist, warum Transformationen (nicht nur) in Schule scheitern. Viele Verhaltensweisen, die Veränderungen und Teamwork im Weg stehen, lassen sich erst mit dem Wissen um Scham tiefer verstehen und dadurch verändern.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie unbequem die Auseinandersetzung mit dieser Emotion sein kann. Doch ebenso weiß ich mittlerweile, wie heilsam der Weg hindurch – rückblickend – war.

Inspiriert durch die umfassenden Arbeiten des Soziologen und Supervisors Stephan Marks, habe ich mich auf die Spur dieser „tabuisierten Emotion“ (Marks, 2021) begeben. Und mittlerweile bin ich überzeugt, wenn wir einen nachhaltigen Kulturwandel in unserem Bildungssystem erreichen wollen, müssen wir uns sowohl mit der Schamgeschichte der Institution Schule auseinandersetzen, als auch mit den biografischen Spuren dieses Systems in uns selbst.

Im ersten Teil dieser dreiteiligen Serie lade ich dazu ein, den Teufelskreis der Beschämung zu betrachten und erste Wege zu entdecken, wie er sich durchbrechen lässt. Denn Menschen haben es geschafft, Scham in Kraft, Kreativität und Mitgefühl zu verwandeln.

Vielleicht erkennen wir uns in den folgenden Beschreibungen der nächsten Abschnitte wieder – und entdecken darin, dass auch in uns die Kraft liegt, Scham als wertvolle Erfahrung von Wachstum und Reife anzunehmen.

Scham: ein quälendes Gefühl?

Jede und jeder von uns erinnert sich an Situationen der Scham – mal flüchtig, mal tiefgreifend. Manchmal ist es nur die Peinlichkeit eines falsch zugeknöpften Hemdes, manchmal das zögernde Erröten, wenn wir jemandem begegnen, der uns gefällt.

Doch manchmal ist es nicht bei einem kurzen Erröten getan. Dann wird Scham zur Welle, die uns erfasst, bevor wir verstehen, was geschieht.

Sie kann uns geradezu „überfluten“. Dies geschieht besonders dann, wenn wir uns in unserem gesamten Selbstwert bedroht fühlen. In solchen Momenten, so beschreibt es Stephan Marks, erleben wir existenziellen Stress.

Das körperlich so unerträgliche Gefühl entsteht, weil sich in intensiven Schamreaktionen die Aktivität von Sympathikus und Parasympathikus überlappt. In existenziellen Stresssituationen werden archaische Überlebensmuster aktiviert – Flucht oder Angriff. Der Sympathikus mobilisiert dabei Energie, um zu handeln oder zu fliehen. Wenn jedoch gleichzeitig der Parasympathikus das System in eine Art „Freeze“- oder Rückzugszustand fährt, entsteht ein paradoxer Zustand: innerer Alarm bei gleichzeitiger körperlicher Lähmung. Genau dieses Spannungsfeld macht die Erfahrung von Scham so quälend (Marks, 2021).

Dieses innere Chaos – gleichzeitig unter Strom und wie gelähmt – erklärt, warum Scham so schwer zu ertragen ist. Kein anderes Gefühl bringt uns so nah an das Gefühl des Ausgeliefertseins.

Und weil dieser innere Alarm so schwer auszuhalten ist, tarnt sich Scham im Alltag – wir vermeiden, relativieren, lenken ab. Kurz: Wir blenden sie aus. Denn kein Gefühl bedroht unser Selbstbild so sehr wie Scham.

Diese Qualen führen zu massiven körperlichen und geistigen Einschränkungen. Wenn ich mich als ganze Person für etwas schäme, erlebe ich Gefühle der Machtlosigkeit, der Demütigung und Minderwertigkeit. Dies hat gravierende Konsequenzen für uns. Wenn unsere Lebenskraft blockiert ist, verliert auch unser Kontakt zur Außenwelt an Tiefe – das wirkt weit über den Moment hinaus.

  • Die Beziehung zu anderen Menschen bricht ab, die Aufmerksamkeit ist stark auf uns selbst gerichtet.
  • Wir sacken zusammen, bekommen keinen Ton mehr heraus oder beginnen einen Redefluss, der für Außenstehende unangemessen erscheint.
  • Scham kann also dazu führen, dass wir jede Lebenskraft und jeden Mut verlieren.

Wenn Scham so tief in unser Nervensystem eingreift, liegt nahe, dass sie auch in Lern- und Beziehungskontexten eine große Rolle spielt. Untersuchungen zeigen, dass Schule ein besonders anfälliger Ort für prägende Schamerfahrungen ist – nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für die Lehrkräfte. Umso erstaunlicher, dass dieses Thema bislang noch wenig empirisch erforscht wurde.

Scham in der Schule: ein Teufelskreis seit Generationen

Wenn Scham schwer erkennbar ist, überrascht es nicht, dass sie im Bildungswesen als blinder Fleck wirkt – und genau dort über Generationen weitergegeben wird. Wie ein leises Echo hallt sie durch Klassenzimmer und Lehrerzimmer, aber auch durch die Seminarräume der Ausbildungsstätten und durch die Büros der Schulleitungen – oft unbemerkt, aber spürbar in Blicken, Worten, Bewertungen.

„Die Schule ist ein prädestinierter Ort für Schamerleben, da dort Lern- und Leistungsprozesse mit sozialen Beziehungen eng verflochten sind. Scham tritt auf, wenn Fehler sichtbar werden, aber auch, wenn Nähe oder Distanz in Beziehungen als verletzend erlebt wird.“ (Stöhr & Schulze, 2024)

Die beiden Psychologinnen Wiebke Stöhr und Gisela C. Schulze untersuchten, wie Schüler Scham in der Schule erleben. In einer qualitativen Pilotstudie wurden 108 Studierende der (Sonder-)Pädagogik gebeten, eine persönliche, schamvolle Situation aus ihrer Schulzeit schriftlich zu beschreiben. Die Auswertung erfolgte nach der qualitativen Inhaltsanalyse.

Scham trat vor allem auf, wenn junge Menschen in der Schule…

  • Fehler machten oder etwas nicht wussten (leistungsbezogene Makel),
  • sich wegen Aussehen, Kleidung oder Emotionen unwohl fühlten (nicht-leistungsbezogene Makel),
  • ungewollt im Mittelpunkt standen oder von Lehrkräften bloßgestellt wurden,
  • durch Mitschüler ausgegrenzt oder verspottet wurden,
  • unerwünschte körperliche oder emotionale Nähe erfuhren.

Schule wird hier zum Spiegel sozialer Verletzlichkeit – und zu einem Ort, an dem sich der Wert des eigenen Selbst früh mit Leistung, Anerkennung oder Ausgrenzung verknüpft.

Diese Erfahrungen wirken über die Schulzeit hinaus. Stöhr und Schulze betonen, dass Lehrkräfte ihre eigene „Schamgeschichte“ reflektieren sollten. Unbearbeitete Schamerfahrungen werden sonst – oft unbewusst – in Form von Beschämung weitergegeben.

So wird aus erlebter Ohnmacht ungewollt Kontrolle – und aus Schmerz wieder Verletzung.

Auch für angehende Lehrkräfte ist Scham kein vergangenes Gefühl, sondern Teil ihrer eigenen Schulbiografie. Eine Studie des Psychologen und Mathematikdidaktikers Lars Jenßen (2022) zeigte, dass viele zukünftige Grundschullehrkräfte schon während ihrer eigenen Schulzeit intensive Schamerfahrungen – besonders im Fach Mathematik – gemacht haben. Bloßstellungen durch Lehrkräfte, öffentliches Vorrechnen oder vergleichende Leistungsrückmeldungen führten häufig zu dem Gefühl, „nicht gut genug“ zu sein.

Diese Emotionen wirken nach: Sie beeinflussen das Selbstkonzept, die Fächerwahl und sogar das Unterrichtsverhalten im späteren Berufsleben. Wer gelernt hat, dass Fehler mit Bloßstellung verbunden sind, neigt im eigenen Unterricht eher zu Kontrolle und Absicherung – und gibt damit unbewusst weiter, was ihn selbst verletzt hat.

„Scham in Mathematik scheint eine bedeutsame Emotion im Bildungsverlauf von angehenden Primarstufenlehrkräften zu sein, deren Grundlage während der Schulzeit gelegt wird und Effekte im Studium hat.“ (Jenßen, 2022)

Damit bestätigt auch Jenßens Forschung: Scham ist somit auch eine generationenübergreifende bzw. transgenerative Emotion.

Diese Einsicht ist unbequem – sie rückt Verantwortung dorthin, wo sie selten gesucht wird: in die eigene Biografie.

Für die Praxis heißt das: Wo wir „Widerstand“ sehen, begegnen wir nicht selten der Abwehr alter Schamerfahrungen – bei Lernenden und bei Erwachsenen.

„Wer Schulentwicklung begleitet, arbeitet immer auch biografisch.“ (Eckardt, 2025)

Daher sollten wir in Transformationsprozessen und im Kulturwandel der Schule biografische Prägungen von Scham mit einbeziehen. Wenn Schule ein Ort sein soll, an dem Menschen in ihrer Persönlichkeit reifen dürfen – sei es als Lernende oder als Lehrkräfte – dann müssen wir den Kreislauf der Beschämung durchbrechen.

Dann beginnt Wandel dort, wo wir Scham nicht länger vermeiden, sondern als Schlüssel zu Verständnis und Verbundenheit begreifen – und der Scham ins Gesicht sehen.

Licht auf den blinden Fleck: Der Blick hinter die „Masken“ der Scham

Menschen wie der eingangs zitierte Lehrer wollen nicht absichtlich beschämen. Im Gegenteil, die meisten Lehrkräfte im System wollen junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und der Entfaltung ihrer Talente begleiten.

Doch warum wird dann Scham immer noch unbewusst und so massiv auf die nächste Generation in Schule übertragen? Warum gelingt es selbst mit den besten Absichten kaum, den Teufelskreis zu durchbrechen?

Weil Scham genau das lähmt, was Veränderung braucht: Offenheit und Verbindung. Somit wird Scham als Emotion oft nicht erkennbar. Wir vermeiden, das Gefühl überhaupt zu spüren!

Und so verbirgt sich die Scham oft hinter „Masken“, wie es Stephan Marks beschreibt. Diese Maskierung führt dazu, dass wir von außen seelische Verletzungen durch Scham oft nicht als solche erkennen, ja sogar missinterpretieren. So entsteht ein gefährliches Missverständnis: Wir reagieren auf Schutz mit Druck – und verschließen damit die Tür zur Veränderung.

Wir sehen dann in einem „Nicht-können“ oder „Nicht-trauen“ eher einen Widerstand und ein „Nicht-wollen“. Der Kreislauf kann somit nicht unterbrochen werden. Der Widerstand nimmt zu oder die Menschen steigen aus.

Äußerlich sind Verhaltensweisen von sozialem Rückzug oder das Vermeiden von Engagement und Verantwortungsübernahme nicht sofort als Abwehrmechanismen der Scham erkennbar. Scham zeigt sich selten direkt. Sie kleidet sich in Verhaltensweisen, die Stärke oder Gleichgültigkeit vortäuschen. Einige Beispiele nennt Stephan Marks (2021):

  • mit „Coolness“ als demonstrierter Stärke zu reagieren
  • Ausreden und Bagatellisieren
  • Schuldzuweisungen an andere
  • Projektion der Gefühle auf andere: andere als „Schwächlinge“ verhöhnen
  • andere beschämen und auslachen
  • Verachtung und Zynismus

Und diese Verhaltensweisen haben ihren Ursprung in Erfahrungen und Prägungen, deren Muster Generationen zurückreichen. In dieser Komplexität werden diese Verhaltensweisen oft nicht gesehen. Wir erleben sie oft als Verweigerung und empfinden das Verhalten möglicherweise auch als persönlichen Angriff.

Doch das wahre Ausmaß der Geschichte dieser Emotion, bleibt uns verborgen. Und so sei an dieser Stelle nur nochmal an das Eisberg-Modell erinnert: Bewusstheit beginnt dort, wo wir den Mut haben, unter die Oberfläche zu schauen.

Wenn wir in tiefgreifende Transformationsprozesse einsteigen, dann sollten wir Gewahr sein, dass bei allen Beteiligten – einschließlich bei uns als professionelle Begleitung – „maskiert“ die Scham Prozesse blockieren kann.

Verhaltensweisen, wie Abwehr von Neuem, Widerstand gegen Vorschläge oder auch das Aussteigen aus Entwicklungsprozessen sollte stets auch mit dem Blick auf den Eisberg und die Scham als tabuisierte Emotion verstanden und beleuchtet werden. So kann Licht auf den blinden Fleck Prozesse wieder in Bewegung bringen – und kreative Energie freisetzen.

Widerstand ist häufig Schamabwehr, wird aber als solche oft nicht erkannt. Genau deshalb gehört zur Transformationsarbeit immer auch Schamarbeit: sonst therapieren wir Symptome (Widerstand), aber nicht die Ursache (Abwehr). Oft erscheint es uns als „Angst vor Veränderung“ oder „mangelnde Verantwortungsbereitschaft“ oder einfach „fehlender Mut“.

Diesem komplexen Feld der Schamabwehr und den damit verbundenen Schwierigkeiten in Transformationsprozessen werde ich mich im nächsten Artikel ausführlich widmen.

Bevor wir uns den Mechanismen der Abwehr zuwenden, lohnt ein Blick auf die andere Seite: Scham kann – wenn sie angenommen wird – zu einer Quelle von Empathie, Verbundenheit und Kreativität werden.

Es gibt sie: die „Helden der Scham“

Dass Scham eine kreative Kraft freisetzen und Menschen damit ihr Potenzial entfalten können, mag irritieren. Bei allem, was weiter oben ausgeführt wurde, kann leicht der Eindruck entstehen, dass es darum geht, das Gefühl der Scham zu vermeiden. Das ist nicht der Fall! Es geht darum, Beschämung zu unterlassen und dafür Räume des Schamerlebens zu öffnen. Doch dazu mehr im nächsten Artikel.

Dass Scham ihre Berechtigung hat und notwendig ist, um als Mensch in sein Potenzial zu reifen, zeigen prominente Beispiele. Menschen, die ihre Gefühle der Scham angenommen und somit in schöpferische Kraft verwandelt haben, nennt der Journalist Till Briegleb (2009) als „Helden der Scham“.

Charlie Chaplins Biografie zeigt beispielhaft, welche Kraft angenommene Scham freisetzen kann.

„Im Gegensatz zu Freud glaube ich nicht, dass das Sexualität das wichtigste Element für die Komplexität des Verhaltens ist. Kälte, Hunger und die Scham der Armut beeinflussen eher die Psyche eines Menschen.“ (Charlie Chaplin, 1964)

Vielleicht berührt uns Chaplins Geschichte deshalb so, weil sie zeigt, dass Verletzlichkeit und Würde keine Gegensätze sind.

Aufgewachsen in ärmlichsten Verhältnissen in London zu Beginn des 20. Jahrhunderts, erlebte Chaplin viel Beschämung und Scham. Während sein Vater frühzeitig den Folgen seiner Alkoholsucht erlag, wurde seine Mutter als „geisteskrank“ in eine psychische Anstalt eingeliefert. Chaplin selbst war, zusammen mit seinem Bruder, in den Slums der Großstadt weitgehend auf sich selbst gestellt. Ausgrenzung und Ablehnung, aber auch Verachtung und Bloßstellung waren Erfahrungen für die sich Chaplin nach eigener Aussage fürchterlich schämte.

Doch in seinen Filmen gelang es ihm, auf humorvolle Weise, aus seinen Erfahrungen heraus, den Charakteren ihre Würde zurückzugeben.

In vielen seiner Filme verkörpert Chaplin Figuren, die – ebenso wie er – gesellschaftlich an den Rand gedrängt waren. Auch wenn Figuren, wie der Landstreicher in „Tramp“ (1915) stolpern, scheitern und zurückgewiesen werden, behalten sie in Chaplins Filmen stets ihre Würde. Der Tramp verzagte nicht, er zog sich nicht zurück und er wurde nicht aggressiv. Im Gegenteil er ließ sich nicht von seiner Art durchs Leben zu gehen, abhalten: Der Tramp tanzte, stolperte und liebte weiter.

Chaplins Biograf Stephen Weissmann erkennt darin die Fähigkeit, mithilfe von Humor eine heilsame Distanz zum heftigen Gefühl der Scham aufzubauen. Während Chaplin sich in seiner Kindheit für seine Herkunft schämt, begeisterte er später Millionen von Menschen damit, Charaktere des Scheiterns würdevoll zu inszenieren. So gelang es dem erfolgreichen Schauspieler in der Verkleidung seine Scham anzunehmen und zu leben, anstatt sie zu verdrängen (Weissmann, 2009).

Und Chaplin ist nicht der einzige Mensch, dem diese Transformation eines niederschmetternden Gefühls in kreative Schaffenskraft gelang. Astrid Lindgren und andere Persönlichkeiten können hier als Kronzeugen aufgeführt werden, dass tiefgreifende Schamerfahrungen eine große Kraft entfalten können, solange sie angenommen und damit transformiert werden können.

Die Auseinandersetzung mit der Scham kann ungeahnte Kräfte freisetzen und verborgene Fähigkeiten ungemein entfalten. Das gibt Hoffnung, dass es auch gelingt, im Bildungssystem Räume zu gestalten, in denen sich aus Schamerleben Kreativität entfalten darf.

Halten wir zunächst inne, bevor wir tiefer in das Verständnis der verborgenen Scham eintauchen, um den Schatz dieser Emotion zu heben und anderen zugänglich zu machen.

Innehalten und Ausblick wagen

  1. Scham ist quälend – und wirkt, weil sie verdeckt bleibt.
  2. In Schule zeigt sie sich transgenerativ; Unbearbeitetes wird weitergegeben.
  3. Wer Wandel will, sollte Entstehung und vor allem Abwehr von Scham erkennen – sonst verwechseln wir leicht Schutzreaktionen mit „bösem Willen“Widerstand“.

Und es gibt Hoffnung. Menschen sind in der Lage, als „Helden der Scham“ ihre Erfahrungen zu transformieren und Astrid Lindgren, Charlie Chaplin und viele andere, die vor uns gegangen sind, sind diesen Weg erfolgreich gegangen.

Es bedarf eines tieferen Verständnisses, wie diese „tabuisierte Emotion“ entsteht und weitergegeben wird. Der Blick hinter die „Masken“ kann den Horizont weiten, welche Räume es braucht, damit Menschen ihre „Verkleidung“ ablegen können.

Darum wird es in den nächsten Artikeln gehen, die in ein bis zwei Wochen veröffentlich werden.

Quellen

Briegleb, T. (2009). Die diskrete Scham. Wagenbach Verlag.

Chaplin, C. (1964). Mein Leben. Droemer Knaur Verlag.

Eckardt, A. (2025). Wenn Vergangenheit Zukunft blockiert – Echter Wandel führt zurück zu uns! [Blogartikel].

Jenßen, L. (2022). Die Scham angehender Primarstufenlehrkräfte im Fach Mathematik – eine bisher kaum beachtete Emotion. In IDMI-Primar Goethe-Universität Frankfurt (Hrsg.)Beiträge zum Mathematikunterricht 2022 (S. 889–892). WTM-Verlag.

Marks, S. (2021). Scham: Die tabuisierte Emotion (8. Aufl.). Patmos Verlag.

Stöhr, W., & Schulze, G. C. (2024). Die Emotion Scham in der Schule: Schulische Schamsituationen aus der Perspektive ehemaliger Schüler:innen. Journal für Psychologie, 32(1), 51–72.

Weissman, S. H. (2009). Chaplin: A Life. Arcade Publishing.

Bildrechte: KI-generierte Bilder, erstellt mit Unterstützung von ChatGPT (OpenAI, DALL·E), Beschreibung und Konzept: Alexander Eckardt, 2025.